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30. October 2012

Als Unbeteiligter weiß man nicht so recht, ob man von der massiven Naturgewalt vom Hurricane Sandy fasziniert oder entsetzt sein soll, aber bei der massiven Zerstörung, die der Wirbelsturm an der Ostküste der USA hinterlassen hat, ist wohl mehr letzteres angebracht. Das Web ist als Nachrichtenquelle in solchen Situationen ideal und gerade bei Katastrophen wie dieser verfolge auch ich das Geschehen gerne auf vielen Nachrichtenseiten – die Grenze zwischen Information und Sensation ist dabei aber schnell überschritten und gerade heute gab es dabei ein paar ganz erschreckende und geschmacklose Beispiele.

Ausgerechnet die rennomierte und eigentlich sonst sehr sachliche Financial Times Deutschland hatte sich heute Mittag einen richtigen Kracher geleistet: der Aufmacher auf der Hauptseite präsentierte stundenlang “Wie ‘Sandy’ das Web durchspült […] Die besten Fundstücke, zusammengestellt von…”. Inzwischen ist der Artikel ein bißchen nach unten gerutscht und inhaltlich auch gar nicht so schlimm, aber wenn Millionen Menschen ohne Strom sind, ganze Stadtteile unter Wasser stehen und es mindestens 15 Tote gegeben hat, sollte man lieber nicht eine hastig zusammengegoogelte Sammlung von Youtube-Videos und Twitter-Postings auf der Hauptseite als “beste Fundstücke” raushängen – das ist einfach nur noch allerunterstes Bildzeitungs-Niveau. Auch andere Magazine haben sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert, aber die FTD war diesmal ganz vorne dabei – und der Tag ist ja noch nicht zu Ende, wer weiß, was heute Abend noch alles geschrieben wird.

Bitte, liebe deutsche Journalisten, nehmt euch ein Beispiel an den seriösen englischsprachigen Medien wie der Washington Post, der New York Times und nicht zuletzt auch dem Guardian, die zwar alle ihre Artikel mit viel Bildern und Videos bestückt haben, aber längst nicht so sensationslüstern sind und das Social Web nicht nur einfach plündern, sondern mit ihm gemeinsam arbeiten. Überhaupt haben Twitter, Facebook, Google+ und andere Blognetzwerke in der Krise eine erstaunliche selbstreinigende Kraft entwickelt, denn mittels spontanem Crowdsourcing werden gefälsche Beiträge und Bilder oft schneller entlarvt als sie entstehen können. Einen interessanten Artikel hatte The Atlantic darüber schon gestern gepostet und es war das gleiche Magazin, das daran erinnert hat, wie der Journalist Dan Rather 1961 das erste Radarbild eines Hurrikans im amerikanischen Fernsehen gezeigt hat – und damit Menschenleben retten konnte.

Ich habe so einen Sturm noch nie selbst erlebt und hoffe, daß ich so etwas auch nie erleben muß, aber Europa wird in spätestens einer Woche die Auswirkungen von Sandy auch noch zu spüren bekommen. Ich will nicht hoffen, daß es irgendwann nochmal einen Kyrill-Artigen Sturm gibt, aber ob dann die deutschen Medien immer noch die “besten Fundstücke” zusammenstellt, wage ich doch zu bezweifeln…

Kategorie: News, WWW
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