Computer
9. September 2012

Als ich im Juli den Artikel über den Odys Xelio, das 100-Euro-Android-Tablet geschrieben hatte, war ich mit dem Abschnitt über die Android-Software noch nicht ganz fertig und hatte versprochen, bald eine Fortsetzung mit den fehlenden Themen Emulatoren, Spiele und Musik nachzuliefern. Das hat noch ein bißchen gedauert, unter anderem weil ich mich noch ein bißchen mehr mit Android beschäftigen wollte, aber jetzt ist die zweite Hälfte des Artikels fertig. Es geht nun nicht mehr primär um den Odys Xelio, sondern generell um Android-Software, aber natürlich habe ich alle erwähnten Programme auf dem kleinen Tablet von Conrad selbst ausprobiert.

Zu Beginn aber noch ein Hinweis: es gibt in diesem Artikel aus rechtlichen Gründen KEINE Links zu Software, ROMs und Diskimages für die Emulatoren und weise ausdrücklich darauf hin, daß der Betrieb dieser Programme nur mit Software legal ist, für die man selbst eine Lizenz besitzt.

 

Computer-Emulatoren

 
Einer der größen Vorteile von Android-Geräten ist die Offenheit des Systems, die auch Emulatoren aller Art erlaubt. Was für Google im Play Store selbstverständlich ist, kann man bei Apples iTunes lange suchen, denn das iOS-Verbot von Programmen, die selbst fremden Code ausführen können, hat fast sämtliche Emulatoren auf dem Gewissen. Für Android gibt es dagegen Emulatoren für praktisch alles – diese Liste ist natürlich längst nicht vollständig und soll nur eine Anregung aus meiner ganz persönlichen Perspektive sein.

Commodore 64 – Als C64-Emulator bietet sich zuerst Frodo C64 an, der eine ganz gute Kompatiblität und sogar einen Dateibrowser für Diskimages zu bieten hat. Noch besser ist allerdings AnVICEx64, eine hervorragende Android-Portierung des C64-Moduls von VICE, die neben einer besseren Darstellung mit Upscaling-Filter und vernünftiger Joystick-, Maus- und Tastatureinbindung praktisch alle Funktionen der Desktop-Version hat. Die Kompatiblität ist so gut, daß es kaum ein Spiel gibt, das nicht läuft. Sogar GEOS läßt sich auf AnVICEx64 problemlos benutzen und auch D71 und D81-Diskimages sind verwendbar. Allerdings ist diese Portierung nicht kostenlos, denn der Programmierer möchte dafür €2,49 haben – die hat er aber auch wirklich verdient, denn die hervorragende Arbeit praktisch alle Funktionen von VICE auf die Android-Plattform umzusetzen, hat der andere Port von VICE noch nicht einmal ansatzweise geschafft.

Commodore Amiga – Auch bei der Suche eines Amiga-Emulators wird man beim gleichen Entwickler wie bei AnVICEx64 hängen bleiben und noch einmal €2,49 für die hervorragende Portierung AnUAE4All investieren. Der kostenlose UAE4Droid ist zwar auch nicht schlecht, aber genauso wie Frodo C64 fehlen einfach eine Reihe von essentiellen Eigenschaften wie eine vernünftige Bildschirm-Skalierung. AnUAE4All bringt alles das mit, ist aber gegenüber WinUAE trotzdem noch etwas eingeschränkt, da man keine Harddisk-Images booten kann – das ist aber kein Problem der Android-Portierung, sondern von UAE4All generell. Aber obwohl man auf Disketten-Images beschränkt ist, kann man praktisch alle Amiga-Spiele laufen lassen und sogar viele Programme funktionieren fast problemlos. Das einzige, was wegen Grafikfehlern leider nicht funktioniert, ist die berühmte Amiga-Version von Lemmings.

Apple II – Für den ältesten der 8-Bit-Homecomputer gibt es nur einen funktionierenden Emulator namens cAndy Apple, der aber auf dem Xelio einige seltsame Darstellungsprobleme hat und nur schwer zum laufen zu kriegen ist – aber vielleicht wird sich daran noch etwas bessern, so daß man diesen Emulator im Auge behalten sollte.

Apple Macintosh – Nein, einen Emulator für die neueste MacOS-Generation gibt es für Android nicht, aber Mini vMac kann einen ganz klassischen MacPlus mit Schwarzweißbildschirm emulieren, und das gar nicht schlecht. Allerdings braucht man ein entsprechendes ROM und ein System-Diskimage dafür, die aber im Web nicht schwer zu finden sind. Vom gleichen Entwickler gibt es auch den €1,63 kostenden Mini vMac II, mit dem man sogar MacOS bis Version 7 laufen lassen kann.

Atari 800Colleen ist die Android-Portierung des Opensource-Emulators Atari800 und kann auch einen Atari 400, XL und XE emulieren. Ich kenne mich mit dem Computer nicht besonders gut aus, aber der Emulator scheint ganz ordentlich zu laufen.

Atari ST – Für die 16-Bit-Maschine von Atari gibt es für Android nur den €1,69 teuren Emulator SToid, der augenscheinlich ganz gut zu funktionieren scheint. Aus Mangel an Interesse am System und einer Demoversion habe ich diese App allerdings nicht selbst ausprobiert.

Sinclair ZX81 & ZX Spectrum – Der einfachste Sinclair, der ZX81 kann unter Android mit Zed Ex emuliert werden. Für den viel bekannteren ZX Spectrum sind für Android gleich drei Emulatoren empfehlenswert: Unreal Speccy, Xpectroid und Speccy sind alle ganz ausgezeichnet, haben aber jeweils ihre eigenen Vorzüge und Nachteile. Auf jeden Fall laufen auf diesen Emulatoren fast alle alten Spectrum-Spiele, die sich bei den ersten beiden Emulatoren sogar direkt in den Apps aus einem Web-Archiv downloaden lassen.

Amstrad CPCCPCDroid ist eine mit SDL gebaute App und etwas ungewohnt direkt auf dem Bildschirm des emulierten Systems zu bedienen. Es hat schon so seine Gründe, daß die App nicht im Play Store verfügbar ist, denn der Emulator ist noch etwas instabil und eine etwas ungünstige Grafikdarstellung ohne Upscaling-Filter. Zum Basteln und ausprobieren ist CPCDroid aber trotzdem geeignet.

BBC Micro – BeebDroid darf auf keinem Android-Gerät fehlen, denn wer einen ARM-Prozessor benutzt, muß auch die Wurzeln des A für Acorn in ARM ehren. Dieser BBC Micro-Emulator funktioniert hervorragend und hat sogar eine vernünftig und originalgetreu umgesetzte On-Screen-Tastatur zu bieten – außerdem lassen sich wie bei den Spectrum-Emus auch hier Spiele direkt in der App herunterladen.

DOS – Der dritte kaufenswerte Emulator des Entwicklers Locnet ist AnDOSBox, eine hervorragende Portierung des DOSBox-Emulators, mit dem man aus einem Android-Tablet einen voll funktionsfähigen MS-DOS-kompatiblen Computer machen kann. Damit kann man nicht nur viele DOS-Spiele und Programme auf dem Xelio laufen lassen, sondern mit etwas Bastelei sogar Windows 3.1 installieren und benutzen. Die Geschwindigkeit entspricht auf einem 1.2 Ghz-Single-Core-Tablet in etwa einem Highend-486er und ist auf jeden Fall ausreichend für die meisten Spiele. Der Android-Port von DOSBox hat fast alle Einstellungsmöglichkeiten der Windows- und Linux-Versionen und bietet auch die gleichen Funktionen wie die anderen beiden Ports von Locnet.

 

Spielekonsolen & Handhelds

 
Wenn man reine Spielekonsolen auf Android-Geräten emulieren will, empfiehlt es sich über den Play-Store-Tellerrand zu schauen, denn die besten Apps gibt es nur auf der Webseite SlideMe, einem alternativen App-Store. Dort gibt es APK-Dateien direkt zum Download, die sich aber mit einem Dateimanager unter Android problemlos manuell installieren lassen – vorausgesetzt man hat in den Systemeinstellungenm unter Security die Option “Allow installation of non-Market apps” aktiviert.

Die folgenden Apps sind bis auf die letzten zwei alle vom Entwickler Yongzh programmiert worden und haben zwar eine sehr schlichte und einfache Oberfläche, funktionieren dafür aber ausgezeichnet und sind außerdem werbefrei.

Gameboy & Gameboy Color » GBCOid
Gameboy Advance » GameBoid
Nintendo Entertainment System » NESOid
Super Nintendo » SNESoid
Sega GameGear & MasterSystem » Gearoid
Sega Genesis & MasterDrive » Gensoid
Atari 2600 » Ataroid
 
Nintendo 64 » Mupen64 PlusN64oid von Yongze kostet $4.99, aber dafür gibt es im Play Store diesen kostenlosen N64-Emulator, der auch sehr gut funktioniert.

Playstation One » FPse habe ich nicht selbst ausprobiert, aber es ist derzeit der einzige vernünftige Playstation-Emulator im Play Store. Wenn man etwas im Netz stöbert, kann man auch PSX4Droid 3.0 finden – die Version im Store scheint nicht empfehlenswert zu sein.

 

Spiele-Interpreter

 
Wenn man nicht emulieren will, kann man auch interpretieren, also eine Engine nachbauen, die Daten-Files eines Spiels auf einem anderen System laufen lassen kann. Es gibt nur zwei Beispiele von solchen Interpretern unter Android, die es aber besonders im ersten Fall in sich haben und eine völlig neue Welt eröffnen.

ScummVM hat eigentlich als Interpreter für die Adventures von LucasArts begonnen, unterstützt aber mittlerweile auch eine ganze Menge Spiele anderer Hersteller wie Sierra, Revolution, Adventuresoft, Coktel und vielen weiteren. Die Kompatiblitäts-Liste verrät genauer, welche Spiele mit ScummVM laufen, aber wenn ein Adventure vor ca. 1999 erschienen ist, sind die Chancen sehr groß, daß es mit ScummVM funktioniert. Es lohnt sich also, nach alten Disketten und CDs zu graben, denn diese alten Schätze kann man dank der hervorragenden Android-Portierung von ScummVM auch auf dem Odys Xelio und anderen Android-Geräten spielen. Was auf den PC-Kompilaten von ScummVM läuft, funktioniert auch genauso gut unter Android.

JFrotz ist ein Interpreter für Infocom-Textadventures wie Zork, Bureaucracy oder das Hitchhiker’s Guide to the Galaxy-Spiel im Z-Machine-Format. Die App ist sehr einfach und schlicht gehalten, tut aber genau das, was man von ihr erwartet.

 

Was noch fehlt

 
Es gibt fast gar nichts, was sich nicht unter Android emulieren läßt, meine Liste ist auch längst noch nicht vollständig und besteht auch nur aus meinen persönlichen Favoriten. Eins fehlt mir aber ganz besonders: ein PalmOS-Emulator. Es gibt zwar StyleTap, einen mehr oder weniger gut funktionierenden PalmOS5-Simulator, dessen Vollversion aber satte 50 Dollar kostet und für die Nostalgie ein paar alter Palm-Programme viel zu teuer ist – und außerdem technisch eine große Enttäuschung ist, wie man an der laufzeitbeschränkten Demo-Version sehen kann. Ein vernünftiger Emulator nicht nur für PalmOS 5.X, sondern auch für die früheren Systeme, müßte dringend her, aber vermutlich wird dies schlicht und einfach an rechtlichen Problemen scheitern.

Was ich mir noch ganz persönlich wünschen würde, wäre eine Portierung der anderen Module vom Commodore-Emulator VICE – speziell vom Commodore 128 inklusive des Z80-Prozessors, damit man auch CP/M-Programme auf dem Tablet laufen lassen kann. Ansonsten kann man mit der Emulatoren-Auswahl unter Android aber mehr als zufrieden sein, besonders im Vergleich mit iOS.

 

Spiele

 
Eigentlich hat man unter Android mit den ganzen Emulatoren und dazu noch ScummVM gar keine Spiele mehr nötig, aber es gibt trotzdem in den riesigen Massen des Android-Spielemarkts ein paar ganz gelungene Exemplare.

Apparatus ist schon in der Light-Version eine Freude für alle, die früher mal The Incredible Machine auf dem PC gespielt haben (wobei die PC-Version unter DOSBox ganz ausgezeichnet läuft). Auch Clever Contraptions bedient sich des gleichen Konzepts und kommt dem Original durch den Verzicht auf komplette 3D-Grafik noch näher. Amazing Alex von den Angry Birds-Machern kann dagagen keinen hinterm Ofen hervorlocken, denn die zugegeben ganz schicke Grafik kann die extrem einfachen Rätsel nicht mehr retten.

Osmos ist für alle geeignet, die es etwas ruhiger und gemächlicher angehen lassen wollen. Das völlig originelle Konzept und die brilliante grafische Umsetzung sind absolut beeindruckend, aber auch Geschmackssache. Die Demo-Version ist aber umfangreich genug, um herauszufinden, ob einem das Spiel wirklich gefällt.

Geared kann auch mit einem völlig simplen Konzept und einer brillianten Umsetzung begeistern. Das wie handgezeichnet aussehende Zahnräder-Puzzle macht süchtig, ist aber oft überraschend schwierig. Eine Demo-Version gibt es nicht, denn das Spiel ist komplett kostenlos.

Freeciv ist die Android-Portierung der Opensource-Adaption von Civilization. Die alte DOS-Version des Spiels bekommt man zwar auch unter AnDOSBox problemlos zum Laufen, aber Freeciv ist mehr eine Umsetzung des noch komplexeren Civilization II und dessen Nachfolgern. Die Android-Version befindet sich noch in der Entwicklung und hat als Beta-Version noch einige Einschränkungen, ist aber trotzdem schon erstaunlich gut spielbar. Man kann mit der Portierung schon eine ganze Menge anfangen, zumal es noch gar keine offizielle Android-Umsetzung von Civilization gibt.

Simon Tatham’s Puzzles ist eine Sammlung von 34 simplen, aber gelungenen Puzzle- und Denk- und Logik-Spielen, die größtenteils recht anspruchsvoll sind. Es ist eine Umsetzung der gleichnamigen Spielesammlung von Simon Tatham, die es schon seit Jahren als portable Java-Versionen gibt und zwar grafisch sehr schlicht ist, aber inhaltlich dafür umso mehr zu bieten hat.

Vexed for Android ist eine Umsetzung des Verschiebe-Puzzle-Klassikers für PalmOS – die grafisch nicht besonders ansprechende Version ist aber immer noch die beste unter einigen viel schlechteren Adaptionen.

Jewel Magic & Jewels Pro – Wer vom Palm noch den alten Astraware-Klassiker Bejeweled kennt, wird sich über diese beiden Umsetzungen des eigentlich sehr simplen Spielprinzips freuen. Es gibt noch eine ganze Menge anderer Varianten des Konzepts, aber diese beiden sind meiner Meinung nach die besten.

 

Musik-Apps

 
Als Klavier- und Gitarrenspieler hat mich natürlich das Angebot an musikalisch orientierten Apps für Android besonders interessiert, aber allzuviel wirklich gelungene Programme gibt es nicht, nur jede Menge billig gemachter “Spiel-Gitarre/Klavier-auf-deinem-Handy”-Spielereien. Immerhin habe ich aber trotzdem ein paar hilfreiche Apps ausfindig gemacht.

Chord! ist fast die einzige Gitarren-App, die man für Android je brauchen wird, denn was dieses Programm schon in der kostenlosen Version alles zu bieten hat, ist auch für musikalische Profis interessant. Chord! Ist nicht nur eine einfache Akkord-Anzeige-Maschine, sondern kann auch Akkorde analysieren, Skalen anzeigen und viel mehr. Die kostenlose Version hat nicht viele Akkorde und Skalen zu bieten, die aber für den Hausgebrauch ausreichen. Die €2,99 für die Vollversion lohnen sich aber für jeden ernsthaften Gitarrenspieler auf jeden Fall.

gStrings ist ein sehr nützliches Stimmgerät für praktisch alle Saiteninstrumente, das nicht nur Töne generieren kann, sondern auch den Ton eines Instruments über das eingebaute Mikrofon des Geräts aufnimmt und die Frequenz erkennt. Damit kann man sich ein teures Gitarrenstimmgerät sparen, auch wenn man nur einen Referenzton braucht ist gStrings ein praktisches Werkzeug. Die kostenlose Version ist nicht eingeschränkt, blendet aber kleine Werbebanner ein.

Musical Notepad ist ein ganz einfacher Noten-Editor für Android, mit dem man mehrstimmige Melodien in zwei Notensystemen schreiben kann. Die Bedienung ist nicht ganz einfach, aber zum Aufschreiben von kleinen Ideen ist diese App gar nicht schlecht und kann sogar in Standard-Midi-Dateien speichern.

 

Fazit

 
Besonders bei den Emulatoren zeigt sich, daß der Odys Xelio trotz der gegenüber viel teureren Tablets relativ bescheidenen technischen Ausstattung sehr Leistungsfähig ist. Auch spielt die niedrige Bildschirmauflösung von 800×480 keine große Rolle, da die emulierten Systeme fast ausschließlich eine viel niedrigere Auflösung haben und dadurch auch nicht zu stark skaliert werden muß. Als Android-Spieletablet eignet sich der Xelio also nicht nur für aktuelle Spiele, sondern ganz besonders für die unzähligen Klassiker.

Wie die erste Hälfte des Artikels über den Odys Xelio und die Android-Software ist auch diese Fortsetzung nicht in Stein gemeißelt und wird bestimmt in der nächsten Zeit noch korrigiert und ergänzt werden – über Feedback, Vorschläge und Korrekturen würde ich mich in den Kommentaren freuen! Eine Liste der Änderungen werde ich dann hier an den Schluß des Artikels anhängen.

Kategorie: Computer
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